Warum ältere Menschen nicht so viele Medikamente schlucken sollten

„Multimedikation“ oder „Polypharmazie“ heißt das Problem im ärztlichen Fachjargon: Viele ältere Patienten nehmen zu viele Medikamente ein. Vor allem, wenn sie bei mehreren Ärzten in Behandlung sind und der eine vom anderen nichts weiß, kann das zum Problem werden: Denn durch ungeeignete Medikamentenkombinationen können sich unerwünschte Nebenwirkungen verstärken und mitunter auch gefährliche Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Arzneimitteln auftreten.

von Marion Zerbst


Die Einnahme von Medikamenten im Alter

Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Gelenkprobleme … Viele ältere Menschen müssen mehrere verschiedene Medikamente einnehmen. Fünf bis zehn Tabletten pro Tag sind durchaus keine Seltenheit. Oft verlieren die betagten Patienten dabei den Überblick und wissen irgendwann gar nicht mehr, wogegen all diese Arzneimittel überhaupt sind oder wann und in welcher Dosis sie sie einnehmen sollen.

Außerdem wirken Medikamente bei Senioren oft anders als bei jüngeren Menschen. Auch die Nebenwirkungen können stärker ausgeprägt sein, weil Leber und Nieren viele Substanzen nicht mehr so gut abbauen können. Und nicht nur das: Je mehr Arzneimittel jemand einnimmt, umso stärker summieren sich die unerwünschten Neben- oder Wechselwirkungen. Doppelverschreibungen (wenn ein Patient bei mehreren verschiedenen Ärzten in Behandlung ist) verstärken dieses Problem noch. Einnahmefehler – die gerade bei älteren Menschen mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten häufig vorkommen – stellen ein zusätzliches Risiko dar.

Außerdem gibt es Medikamentenklassen, die im Alter grundsätzlich problematisch sind, weil sie zu Schwäche, Schwindelgefühl und Verwirrtheit führen oder die Sturzgefahr erhöhen können.

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Sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

Inzwischen weiß man: Je mehr Arzneimittel jemand schluckt, umso größer ist die Gefahr von Komplikationen und das Sterberisiko. Für Senioren gilt das natürlich erst recht: Multimedikation ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Stürze, Gebrechlichkeit und vermehrte Krankenhauseinweisungen bei älteren Patienten. Also sprechen Sie Ihren Hausarzt ruhig darauf an, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie zu viele Medikamente einnehmen oder unter unerwünschten Nebenwirkungen leiden! Ihr Arzt hat verschiedene Möglichkeiten, hier Abhilfe zu schaffen:

  • Er kann die Dosis problematischer Medikamente senken oder Sie auf eine Kombination aus mehreren verschiedenen Arzneimitteln mit ergänzender Wirkung umstellen und so die Nebenwirkungen reduzieren
  • Er kann bei Doppelverschreibungen durch verschiedene Ärzte (oder falls Sie immer noch Arzneimittel einnehmen, die Ihnen früher einmal verschrieben wurden, die Sie jetzt aber eigentlich gar nicht mehr brauchen) ein Medikament weglassen – und schon müssen Sie weniger Pillen schlucken!
  • Er kann Arzneimittel, die grundsätzlich nicht für ältere Menschen geeignet sind, durch andere, besser verträgliche Substanzen ersetzen.

Auch rezeptfreie Arzneimittel können problematisch sein

Sagen Sie Ihrem Arzt bitte auch, ob Sie zusätzlich zu Ihren verschreibungspflichtigen Medikamenten noch andere, rezeptfreie Mittel einnehmen! Denn auch da gibt es viele, die unerwünschte, manchmal sogar gefährliche Nebenwirkungen verursachen können. Zum Beispiel kann Paracetamol (obwohl rezeptfrei in der Apotheke erhältlich) in zu hohen Dosen die Leber schädigen; und Arzneimittel gegen Schmerzen und Entzündungen wie beispielsweise Diclofenac können Magengeschwüre und Magenblutungen hervorrufen und sind daher für Patienten, die unter solchen Problemen leiden, tabu.

Auch pflanzliche Heilmittel wie Johanniskraut- oder Ginkgo-Präparate können Nebenwirkungen verursachen oder mit anderen Mitteln in Wechselwirkung treten. Das gilt selbst für vermeintlich „harmlose“ Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin- oder Mineralstoffpräparate – also fragen Sie Ihren Arzt, ob Sie diese Mittel überhaupt brauchen und ob Sie sie unbedenklich einnehmen dürfen!

Aber nicht nur der Arzt, sondern auch der Apotheker kann Ihnen helfen, nicht den Überblick über Ihre diversen Arzneimittel zu verlieren: Er kann beispielsweise prüfen, ob die Medikamente, die Sie einnehmen, sich miteinander vertragen, und Ihnen auch bei anderen Fragen und Problemen fundierte Ratschläge geben.

Und nicht zuletzt bietet auch das Internet eine Orientierungshilfe: Unter www.apotheken-umschau.de können Sie sämtliche Medikamente eingeben, die Sie nehmen, und dazu Ihre Erkrankungen nennen. Das Programm macht Sie dann auf mögliche unerwünschte Wechsel- oder Nebenwirkungen (beispielsweise eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit) aufmerksam. Außerdem können Sie dort für sämtliche Arzneimittel, die Sie einnehmen, gut verständliche Beipackzettel abrufen und ausdrucken.

Quelle: das schlafmagazin 1/2015