Albträume: Was ist noch normal, und wann braucht man einen Therapeuten?

Bis zu einem gewissen Grad sind „schlechte Träume“ etwas ganz Normales: Nach Einschätzung der Schlafforscher Prof. Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und Dr. Jürgen Hoppe (Privatpraxis für Schlafschulung, Hamburg) leiden etwa 5 % aller Menschen häufig unter Albträumen. Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren sind am stärksten von diesem Problem betroffen.

Auch Stress und Lebenskrisen erhöhen das Albtraumrisiko; und Menschen mit psychischen Problemen wie Depressionen oder Angststörungen werden ebenfalls oft von beängstigenden Träumen heimgesucht. Generell scheinen Persönlichkeitsmerkmale wie Depressivität, Ängstlichkeit und Reizbarkeit das Depressionsrisiko zu erhöhen.

Noch häufiger kommen Albträume bei Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) vor: 60 bis 70 % aller PTBS-Patienten leiden nachts oft unter solchen Träumen. Dann sollte man die Hilfe eines Psychotherapeuten oder eines auf Träume spezialisierten Schlafmediziners suchen.

Sogar bestimmte Medikamente – z. B. Antidepressiva (Mirtazapin, Fluoxetin, Sertralin, Clomipramin) und Arzneimittel gegen Demenz (Donepezil, Rivastigmin) – können das Auftreten von Albträumen begünstigen.

Albträume: Auch Täterträume kommen vor

Bei so einem Traum ist man übrigens gar nicht immer das arme Opfer, das von Monstern gejagt oder von Verbrechern massakriert wird: Bei immerhin 10 bis 15 % aller wiederkehrenden Albträume handelt es sich um sogenannte Täterträume, in denen der Träumer selbst jemanden verletzt oder gar umbringt. Wer unter solchen Träumen leidet, sollte aber nicht glauben, dass er „Verbrechergene“ in sich trägt oder womöglich unter latenten Aggressionen oder unbewussten Gewaltfantasien leidet. Wie Traumforscher Prof. Reinhard Pietrowsky kürzlich in einem Vortrag bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erklärte, handelt es sich bei Menschen mit häufigen Albträumen ganz im Gegenteil eher um zurückhaltende Charaktere, die oft auch ziemlich kreativ sind und versuchen, sich nachts anhand von Träumen mit ihren Problemen auseinanderzusetzen und verschiedene Lösungsmöglichkeiten dafür durchzuspielen. Da können dann auch hin und wieder aggressive Szenarien dabei sein. Das bedeutet aber nicht, dass solche Menschen tatsächlich zu Gewalttätigkeit neigen.

Obwohl Albträume für die betroffenen Personen sehr belastend sind (manche haben deshalb abends sogar Angst vor dem Einschlafen), wenden sie sich mit diesem Problem nur selten an professionelle Therapeuten – vielleicht, weil solche Träume etwas sehr Persönliches sind, worüber man nicht gerne spricht? Jedenfalls ist es schade, dass so wenige Betroffene professionelle Hilfe suchen, denn es gibt gute Behandlungsmethoden.

Artikel von Anne Greveling

Quellen:
Das Schlafmagazin
Prof. Michael Schredl und Dr. Jürgen Hoppe: Ursache und Therapie von Albträumen. Somnologie – Schlafforschung und Schlafmedizin 23(1), Februar 2019. doi:10.1007/s11818-019-0198-4
Vortrag von Prof. Reinhard Pietrowsky bei der 30. Jahrestagung der DGSM