Schlafmittel aus der „Apotheke der Natur“: Finger weg von Ashwagandha!

In der ayurvedischen Medizin erfreut sie sich als Schlaf- und Beruhigungsmittel schon seit langem großer Beliebtheit, und inzwischen wird auch bei uns im Westen ein enormer Hype um sie veranstaltet: die Schlafbeere (Ashwagandha). Gegen Stress soll sie helfen, das Nervensystem beruhigen und uns abends auf einen erholsamen Schlaf einstimmen.

Das mag ja im einen oder anderen Fall tatsächlich zutreffen; nur leider werden Naturheilmittel – vor allem aus der fernöstlichen Medizin – oft nicht auf unerwünschte Nebenwirkungen hin untersucht. Laut einer in den USA durchgeführten Studie haben viele pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel eine leberschädigende Wirkung, von der ihre Konsumenten jedoch nichts ahnen, weil sie den Begriff „Naturheilmittel“ automatisch mit „sanft“ und „unschädlich“ gleichsetzen – was aber leider nicht immer den Tatsachen entspricht. So nehmen beispielsweise viele Frauen Präparate aus der Traubensilberkerze gegen Wechseljahrbeschwerden wie z. B. fliegende Hitzen ein, die ihnen nachts den Schlaf rauben, ohne zu wissen, dass dieses pflanzliche Heilmittel bei längerfristiger Einnahme Leberfunktionsstörungen verursachen kann. Bei Warnsignalen wie Gelbsucht, dunklem Urin, Appetitmangel oder anhaltenden Oberbauchschmerzen solle man das Mittel absetzen und den Arzt um Rat fragen und bei bereits bestehenden Leberproblemen lieber von vornherein auf eine Einnahme verzichten, rät die Apotheken-Umschau. Die oben beschriebenen Symptome treten aber normalerweise erst dann auf, wenn die Leber schon stark angegriffen ist; denn dieses wichtige Entgiftungsorgan leidet lange Zeit „stumm“, ohne irgendwelche Beschwerden zu verursachen.

Ähnliches gilt für Kurkuma-Präparate, die gegen Gelenkbeschwerden helfen sollen, für hochkonzentrierte Grüntee-Extrakte und eben auch für Ashwagandha. Die versprochenen positiven Wirkungen dieser auch unter den Namen „Schlafbeere“, „indischer Ginseng“ oder „Winterkirsche“ bekannten Pflanze seien wissenschaftlich nicht belegt und die mit der Einnahme des Mittels einhergehenden gesundheitlichen Risiken nicht gut untersucht, warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung. Vor allem Kinder, werdende Mütter und stillende Frauen, aber auch Menschen, die bereits an einer Lebererkrankung leiden, sollten auf Ashwagandha verzichten. Akut kann Ashwagandha Verdauungsbeschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall verursachen; sogar Berichte zu Fällen von akutem Leberversagen liegen vor.

Doch auch Menschen ohne bereits bekannte Lebererkrankung sollten bei der Einnahme von Ashwagandha-Präparaten lieber Vorsicht walten lassen, denn es gibt Hinweise darauf, dass sie nicht nur die Leber schädigen, sondern sich auch negativ auf das Immun- und das Hormonsystem (Cortisol- und Blutzuckerspiegel, Schilddrüsen- und Sexualhormone) auswirken können. Außerdem gibt es heutzutage viele Menschen, die zu hohe Leberwerte haben oder an einer übergewichtsbedingten Fettleber leiden, ohne etwas davon zu wissen. Bei ihnen kann die Einnahme potenziell leberschädigender Nahrungsergänzungsmittel eine zusätzliche Belastung für das lebenswichtige Entgiftungsorgan darstellen.

Das Problem bei solchen Naturheilmitteln liegt meist nicht in der Pflanze selbst: In normalen Mengen genossen, können Grüntee oder das in der asiatischen Küche sehr beliebte Gewürz namens Gelbwurz (Kurkuma) sich nämlich durchaus positiv auf die Gesundheit auswirken. Problematisch sind vielmehr die hohen Konzentrationen, in denen diese pflanzlichen Substanzen in bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln vorliegen: „Die Dosis macht das Gift“, wusste schon der berühmte Arzt Paracelsus von Hohenheim.

Da Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland als Lebensmittel gelten, müssen ihre Hersteller (anders als bei pflanzlichen Medikamenten) nicht durch Untersuchungen beweisen, dass die Präparate nicht gesundheitsschädlich sind. Daher sollten Sie sicherheitshalber auch die Einnahme vermeintlich „harmloser“ pflanzlicher Nahrungsergänzungspräparate vorher mit Ihrem Hausarzt besprechen. Der Arzt wiederum sollte bei einem Patienten mit erhöhten Leberwerten nicht nur an übermäßigen Alkoholkonsum denken; es könnte durchaus auch ein Heilmittel aus der „Apotheke der Natur“ dahinterstecken.

Artikel von Anne Greveling

Quellen:

Ashwagandha: Schlafbeeren-Präparate mit möglichen Gesundheitsrisiken. Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung 39/2024.

https://www.bfr.bund.de/cm/343/ashwagandha-schlafbeeren-praeparate-mit-moeglichen-gesundheitsrisiken.pdf

Dr. Martina Melzer: Traubensilberkerze: Pflanzliche Hilfe in den Wechseljahren.  Apotheken-Umschau, 18.5.2020

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Finger weg von Ashwagandha

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