Schlafbezogene Atemstörungen: bei Kindern viel zu selten erkannt

Schlafprobleme können Kinder in ihrer Entwicklung enorm beeinträchtigen. Oft werden Ursachen von den Eltern aber nicht erkannt, weil sie sich anders äußern als im Erwachsenenalter. Außerdem gibt es immer noch viel zu wenige Kinderschlaflabore, die solche Störungen fachgerecht diagnostizieren und behandeln können. Wir unterhielten uns mit Barbara Schneider, Leiterin des Schlaflabors im Kinderkrankenhaus St. Marien in Landshut.

von Marion Zerbst


Verschiedene Arten von Atemstörungen

Schlafbezogene Atemstörungen: bei Kindern viel zu selten erkannt

„Wir betreuen in unserem Kinderschlaflabor Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 18 Jahren“, erklärt Barbara Schneider. „Dementsprechend unterschiedlich sind die Fragestellungen. Bei den ganz Kleinen (vor allem bei Frühgeburten) haben wir es meistens mit Atemregulationsstörungen zu tun. Denn Kinder, die zu früh auf die Welt kommen, können ihre Atmung oft noch nicht so gut steuern. Bei manchen Kleinkindern treten auch obstruktive Apnoen auf, z. B. wenn ihr Unterkiefer sehr klein ist, sodass die Zunge zurückfällt, oder wenn sie an einem Down-Syndrom leiden: Bei solchen Kindern besteht von Anfang an eine muskuläre Schwäche; da sollte man schon nachschauen, ob eine schlafbezogene Atemstörung vorliegt, damit sie keine Entwicklungsprobleme bekommen.“

Barbara Schneider ist Leiterin des Zentrums für Neuropädiatrie und Schlafmedizin (ZNS), Kinderkrankenhaus St. Marien Grillparzerstr. 9, 84036 Landshut, Tel.: 0871 852- 0

Schnarchen wie die Weltmeister

Und wenn die Kinder ein bisschen älter sind, fangen sie oft auch an zu schnarchen – manchmal fast so laut wie Erwachsene. Allerdings äußern schlafbezogene Atemstörungen sich bei Kindern häufig mit anderen Symptomen: „Viele Eltern bringen ihre Kinder nicht deshalb zu uns, weil sie schlecht schlafen, schnarchen oder nachts keine Luft bekommen. Viel häufiger ist es so, dass die Kinder ein Entwicklungsdefizit haben, unkonzentriert oder hyperaktiv sind; und wenn wir der Sache dann nachgehen, stellen wir fest, dass bei diesen Kindern nicht nur der Tag, sondern auch die Nacht sehr unruhig verläuft. Aus so manchem kleinen Zappelphilipp wird sehr schnell ein ganz normales, entspanntes Kind, wenn man seine Schlafapnoe therapiert.“ Weitere Ursachen für Schnarchen finden Sie in unserer Zusammfassung: „Schnarchen verhindern

Zuerst muss der HNO-Arzt ‘ran

Anders als bei erwachsenen Patienten ist bei Kindern mit Schlafapnoe normalerweise keine CPAP-Therapie angezeigt: „Die meisten Kinder mit einem Schlafapnoe-Syndrom schicken wir erst mal zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der kontrolliert, ob das Kind Nasenpolypen oder vergrößerte Rachenmandeln hat und entfernt bei Bedarf die Polypen oder verkleinert die Mandeln. Anschließend schauen wir uns die Kinder noch mal im Schlaflabor an, um zu sehen, ob der Eingriff den gewünschten Erfolg gebracht hat. Zum Glück haben wir hier in Landshut einen schlafmedizinisch ausgebildeten HNO-Arzt, mit dem wir eng zusammenarbeiten.“

Manchmal lässt sich die Atemwegsobstruktion nicht durch eine HNO-ärztliche Therapie beseitigen; dann muss man nach anderen Ursachen fahnden. „Wenn eine Kieferfehlstellung (z.B. ein zu weit nach hinten stehender Unterkiefer) dahintersteckt, ist der Kieferorthopäde gefragt. Und selbst wenn der HNO-Arzt die Polypen entfernt hat, atmen viele Kinder trotzdem immer noch durch den Mund, weil ihre Muskulatur gar nicht mehr an den Mundschluss gewöhnt ist. Die brauchen dann eine logopädische Behandlung oder Maßnahmen zum Muskelaufbau im Mund-Gesichts-Bereich.“

Bei Mittelgesichtsverformungen benötigen die Kinder manchmal doch eine CPAP-Therapie. „Leider gibt es für Kinder keine große Auswahl an Industriemasken. Diese Masken muss man daher häufig individuell anfertigen lassen; und wenn die Kinder wachsen, brauchen sie wieder eine neue Maske.“

Wehret den Anfängen!

Leider ist die Kinderschlafmedizin in Deutschland nach wie vor ein Stiefkind: Es gibt viel zu wenige Schlaflabore für Kinder. Das ist schade, denn schlafbezogene Atemstörungen im Kindesalter zu entdecken und richtig zu behandeln, ist sehr wichtig, weil sie zu massiven Gedeih- und Entwicklungsstörungen führen können.

Außerdem kann man durch die richtigen Behandlungsmaßnahmen in der Kindheit einer Schlafapnoe im Erwachsenenalter vorbeugen: „Wir gehen davon aus, dass Kinder, bei denen ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom nicht frühzeitig erkannt und behandelt wird, die zukünftigen CPAP-Patienten sein werden, weil die richtige Position der Zunge im Kindesalter für die Entwicklung des Kiefers ausschlaggebend ist. Wenn der Mund beim Atmen dauernd offen steht, führt das zu einer falschen Position der Zunge im Mund. Der Druck der Zunge auf den Kiefer ist aber wichtig, damit dieser richtig wachsen kann. Eine falsche Zungenposition kann zum sogenannten ,Long-face-Syndrom‘ beim Erwachsenen führen. Die dadurch verengten Rachenverhältnisse können im Erwachsenenalter ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom verursachen.“

Quelle: das schlafmagazin 1/2015